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Mein erster DNF – meine Backyard Ultra Erfahrungen

Rennbericht: Marco Stolba

Einige haben vielleicht schon vom Big’s Backyard Ultra 2018 gehört, als Johan Steene und Courtney Dauwalter 67 Stunden gerannt sind, bis schlussendlich Johan die 68. Runde/Stunde alleine lief und somit der Last One Standing war. Spätestens seit ich davon erfahren hatte, wollte ich mich eines Tages auf einen Backyard Ultra, auf dieses einzigartige Abenteuer, einlassen. 


Weil es kein normales Rennen ist mit einem Start und einem Ziel und auch nicht der gewinnt, wer als erstes ins Ziel kommt, hier kurz die Regeln:

  • Eine Runde misst 6,706 Kilometer (4.167 Meilen).
  • Jede neue Runde beginnt genau 60 Minuten nach dem Start der vorherigen Runde.
  • Es ertönt jeweils 3, 2 und 1 Minute vor dem Start ein Signal. Läufer, die nicht pünktlich starten, scheiden aus (DNF). Alle Läuferinnen und Läufer starten genau beim Ertönen der Glocke, keiner später.
  • Jede Runde muss innerhalb von 60 Minuten abgeschlossen sein, einschließlich der letzten Runde.
  • Die Teilnehmer dürfen die Strecke bis zum Abschluss der Runde nicht verlassen.
  • Es ist während der Runde keine persönliche Hilfe gestattet.
  • Das Rennen endet erst mit der letzten abgeschlossenen Runde.
  • Sieger ist, wer die letzte Runde absolviert hat. Alle anderen Läuferinnen und Läufer werden mit „DNF“ gewertet.

Soweit so einfach. Die Distanz der Runde ist von Lazarus Lake, welcher ebenfalls den Barkley Marathon ins Leben gerufen hat, so gewählt, dass nach 24 Stunden genau 100 Meilen absolviert werden.


Als ich per Zufall vernommen habe, dass in meiner Heimatstadt Zürich und erst noch in dem Stadtteil, in welchem ein Großteil meiner Familie lebt, der 1. Witiker Backyard Ultra stattfinden wird, habe ich mich sofort angemeldet. Meine Freude war groß als ich erfuhr, dass dieses Event von Carsten Drilling organsiert wird. Das dies der erste Backyard Ultra in der Schweiz überhaupt sein würde, war noch das i-Tüpfelchen.

So wurde dieses Rennen mein Hauptrennen des Sommers 2020.

Rennbericht: Marco Stolba
Rennbericht: Marco Stolba

Nachdem ich am Freitag die Startnummer abholen durfte, versuchte ich ein paar Stunden guten Schlaf zu bekommen. Leider fiel mir dies wie jedes Mal vor einem Rennen schwer. Samstag früh gegen 7 Uhr traf ich beim Tennis Club im Hau in Witikon ein und suchte mir einen Platz auf dem Eventgelände. Ich fand einen freien Ort zwischen einem Zelt und einem Campingstuhl. Die Stimmung war noch ruhig und das Wetter gerade noch trocken. Ich versuchte, mein Material zu organisieren: mein Campingstuhl, neben dran die Kühltruhe mit Essen und Getränke, sowie eine zusätzliche Kiste mit weiterem Material. Da ich nicht wusste, was ich brauche und wie lange ich durchhalten würde, habe ich wohl ein bisschen übertrieben. 

Was mir an diesem Format besonders gut gefällt, ist die Möglichkeit, in jeder Runde eine/n neue/n Gesprächspartner/in zu haben. Und an diesem Event hatte es viele spannende Menschen: Von sehr erfolgreichen Trail-Läuferinnen und Trail-Läufer, über 24h-Spezialisten, Neueinsteiger in den Sport und Hobbyläufer, bis hin zu Finisher des Self-Transcendence 3100 Mile Race. Diese Kombination von Läuferinnen und Läufer und die Möglichkeit mit vielen eine Runde zu laufen, ist etwas sehr Spezielles.  

Einige Läuferinnen und Läufer gehen jede Runde relativ zügig an und andere sind immer bei Minute 55 mit der Runde durch. Welche Läufer/innen am längsten durchhalten werden, ist während des Rennens nicht zu erkennen. Viele wollten ihre eigene, bisher längste Distanz schlagen. Für mich waren dies 50 Kilometer, welche ich schon an Trail-Läufen erreicht hatte. Nach 8 Runden hatte ich diese auch dieses Mal gelaufen. Somit war mein erstes Ziel erreicht. Ich darf an dieser Stelle erwähnen, dass ich nach 17 Runden und somit 17 Stunden das Handtuch geworfen habe. Warum werde ich noch erzählen. 

Mein Team war für mich sehr wichtig. Hauptsächlich mein Bruder und meine Frau haben sich sehr gut um mich gekümmert. In jeder Pause, ob in 5 Minuten oder einer Viertelstunde, wurde ich verpflegt, massiert, abgekühlt, aufgemuntert, gelobt und wieder auf die nächste Runde geschickt. Dass meine Schwester, meine Tochter und meine Eltern als Fanclub anwesend waren, hat mir natürlich viel Energie gegeben.

Nach den ersten 8 Runden, die ich jeweils in 45 Minuten gelaufen hatte, habe ich dann gemerkt, dass 52-54 Minuten pro Runde für mich zu diesem Zeitpunkt ideal waren. Die Abläufe hatten sich eingespielt, ich benötigte weniger Zeit für die Pausen und konnte somit mehr Energie auf der Strecke sparen. Wieder ein ganz neues Erlebnis in einem Event: Ich konnte meine Taktik anpassen, ohne zu viel zu riskieren. 

Der Nachmittag war zwar sehr warm, aber die Stunden vergingen relativ schnell und ohne zu viel Aufwand. Zu diesem Zeitpunkt merkte ich am rechten Knie beim Ansatz der Wadenmuskulatur die ersten Anzeichen von Belastung, welche später zu meiner Aufgabe führte. Aber zu diesem Zeitpunkt war es noch nicht schmerzhaft und ich fühlte mich gut. Als es eindämmerte und die 100 Kilometer nach 15 Stunden erfüllt waren, war für eine größere Anzahl Läuferinnen und Läufer das Ziel erreicht. Bei den Backyard Ultras haben solche Ziele, wie 50 Meilen nach 12 Stunden, 100 Kilometer nach 15 Stunden, 100 Meilen nach 24 Stunden usw., immer eine große Bedeutung. Dies ist sowohl Chance wie auch Gefahr. Die Zielsetzung einer Distanz ist klar und einfach, doch nach dem Erreichen dieses Zieles ist ein Weitermachen mental nicht immer einfach.

Bei mir war in der Runde 16 klar, dass ich nicht weitermachen kann. Die Schmerzen im Knie waren nicht mehr zu ignorieren. Also habe ich die Runde 17 dazu genutzt, mich von den restlichen 9 Läufern zu verabschieden und ihnen Erfolg zu wünschen.

Auch speziell an diesem Rennformat ist, wie man das Rennen digital verfolgen kann. Die stündlichen Updates der Veranstalter auf den Social-Media-Kanal (dies kann Instagram, Twitter oder Facebook sein) hat ein gewisses Suchtpotential: Wie viele Teilnehmer/innen starten die neue Runde, wer ist wie fit, wie lange wurden Pausen gemacht, hat jemand geschlafen?

Rennbericht: Marco Stolba
Rennbericht: Marco Stolba

Beim 1. Witiker Backyard Ultra wurden gesamt 41 Updates gepostet, also 41 Runden gelaufen. Nach 25 Stunden und somit 25 Runden, hatte sich das Trio der Besten durchgesetzt. Claire Bannwarth, Michael Ohler und Niklas Sjöblom liefen ab Sonntagmorgen 10:00 Uhr die Runden zu dritt und dies mit einer unglaublichen Ausdauer: Als ich am späten Nachmittag mit meinem Hund auf der Rennstrecke einen Spaziergang machte, haben alle drei immer noch sehr frisch gewirkt. Die 38. Runde und somit um 22:00 Uhr nachts am Sonntag, war Claires letzte Runde. Michael hat es noch bis zur 40. Runde geschafft. Somit wurde Niklas mit 41 Runden der einzige Finisher des ersten Witiker Backyard Ultra.

 

 

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